Schreiben ist in erster Linie Handwerk. Damit verkünde ich nichts Neues, das habe ich selbst schon Dutzende Male gesagt, und andere Schreibratgeber Tausende. Aber trotzdem ist es wichtig, es immer wieder zu erwähnen, denn immer noch geistern bezüglich des Schreibens eine Menge Illusionen in den Köpfen herum. Zum Beispiel, dass man ein Genie sein muss, um schreiben zu können, dass man nur schreiben kann, wenn es aus dem Bauch heraus kommt, dass Planung die Kreativität tötet.
In manchen Fällen ist das sicherlich so, wenn einem beispielsweise die Planung die Stimmung verdirbt, weil man sich selbst das Geheimnis dessen, was die Geschichte ausmacht, bis zum Schluss bewahren möchte, weil man im Grunde genommen schreiben möchte, wie eine Leserin liest, ohne zu wissen, was auf der nächsten Seite kommt.
Das ist ein guter Ansporn zum Schreiben, ich kenne das selbst sehr gut, aber es führt zu nichts, wenn man das große Ganze nicht im Blick hat, wenn man einfach nur so vor sich hinschreibt, was einem gerade in den Sinn kommt.
Das heißt, Schreiben ist eine Balance zwischen dem, was man sagen will, und der richtigen Art, es zu sagen. Der richtigen Kürze oder Länge, der richtigen Mischung von Gefühl, Informationen und Beschreibungen, Dialogen und Passagen ohne Dialog, Bildern und Worten.
Deshalb habe ich jetzt mit einer kurzen Übung angefangen, und auch diese zweite Übung ist nicht sehr lang. Aber länger als die erste. Die erste Geschichte, wenn man so will, die wir geschrieben haben, war auf zwei Seiten beschränkt, auf eine Person, auf einen Ort, auf eine kurze Zeitspanne. Im Grunde genommen war es mehr eine Szene als eine Geschichte, ca. zwei DIN-A4-Seiten.
Diese zweite Geschichte nun sollte so um die fünf DIN-A4-Seiten lang sein. Und am Ende der Geschichte sollte es einen Wendepunkt geben.
Im Gegensatz zur ersten Übung beginnen wir hier mit einer ganz alltäglichen Situation. Einkaufen beispielsweise. Eine Person, wir können sie beliebig benennen, geht einkaufen. Und plötzlich wird sie vor eine Entscheidung gestellt. Je nachdem, welche Entscheidung sie trifft, kann der Wendepunkt in verschiedene Richtungen führen, eine Wendung zum Guten oder Schlechten sein, sogar Leben oder Tod.
Der Supermarkt, in dem sie einkauft, könnte beispielsweise überfallen werden. Soll sie sich ruhig verhalten oder versuchen zu entkommen? Soll sie heimlich ihr Handy nehmen und die Polizei rufen? Soll sie einen der Kriminellen, die sie in dem Supermarkt festhalten, daran hindern, ein Kind zu schlagen oder sogar schwer zu verletzen, und dabei riskieren, selbst erschossen zu werden, oder wie alle anderen den Mund halten?
Also: Voraussetzung: eine alltägliche Situation, in die plötzlich der Horror einbricht (diese Vorgehensweise ist übrigens das Erfolgskonzept von Stephen King )