Wenn ein erster Satz so viele interessante Fragen hervorruft, ist er gut. Denn es ist ein urmenschliches Bedürfnis, weiterzulesen, um diese Fragen beantwortet zu bekommen.

Nun muß das Buch allerdings auch spannend weitergehen. Wenn der erste Satz gut ist und der Rest des Buches nicht, nützt das natürlich auch nichts.

Das allerwichtigste, wenn ich selbst schreibe, ist aber: Finde ich meine eigenen Geschichten fesselnd und spannend? Würde ich das lesen, wenn eine andere Autorin es geschrieben hätte? Oder würde ich es dann weglegen, weil es mich langweilt?

Nur wenn man sich in Distanz zu dem begibt, was man selbst geschrieben hat, wenn man es wieder liest und dabei wie eine Fremde darauf schaut, kann man erkennen, ob eine Geschichte gut ist, ob sie auch andere fesselt.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich – bevor ich mein erstes Buch »Taxi nach Paris« schrieb – die Inhalte einiger Lesbenkrimis analysiert habe, unter anderem auch den von »Unterricht in Mord« von Claire McNab. Es gab ja damals noch nichts anderes, worin lesbische Liebesszenen vorkamen, vor allen Dingen in Deutschland nicht. Diese Art Bücher gibt es in Deutschland erst, seit es den el!es-Verlag gibt.

Also analysierte ich die Liebesszenen der Lesbenkrimis. Und eins fiel mir dabei auf: Immer wenn es prickelnd wurde, wenn die beiden Frauen sich näherkamen, folgte ein Ereignis, das die beiden wieder auf Distanz brachte, entweder ein äußerliches – die eine war die Kommissarin und die andere die Mordverdächtige – oder ein inneres: »Ist sie überhaupt lesbisch?«, »Wie wird sie reagieren?«, »Darf ich das überhaupt?«

Das heißt, es war ein ständiges Auf und Ab und Hin und Her. War eine Szene zärtlich, dann gab es in der nächsten einen Streit, oder eine kriminalistische Untersuchung ergab, daß sich der Mordverdacht erhärtete, was für die Kommissarin bedeutete, sich zurückzuziehen.

Dadurch schaffte Claire McNab es, die Spannung aufrechtzuerhalten. Man war sich nie sicher, kommen die beiden jetzt zusammen oder nicht? Hat sie den Mord begangen oder nicht? Was ist, wenn sie den Mord begangen hat, die Kommissarin sie aber trotzdem liebt und nicht davon lassen kann? Was ist, wenn die Mordverdächtige sie nur ausnutzt, weil sie tatsächlich die Mörderin ist und will, daß die Kommissarin sie aus Liebe laufenläßt?

Eine Geschichte, die nur so dahinplätschert, die einfach ein Ereignis nach dem anderen erzählt, ohne daß es einen Gegensatz gibt, ohne daß die Stimmung wechselt, ist tödlich langweilig.

Eine Geschichte, die sich bemüht, mit Konflikten zu arbeiten, bei der sich Konflikt und Harmonie abwechseln, wird immer wesentlich spannender sein.