Gestern wurde in einem Kommentar zu meinem Artikel »Gefühlvoll lesen (und schreiben)« die Frage gestellt, ob ich mir immer noch Gedanken über die Erzählperspektive und die Erzählsprache mache.

Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, was die Erzählsprache sein soll. Ich schreibe in Deutsch.

Nein, kleiner Scherz. Ich nehme einmal an, daß es darum geht, daß die Sprache zum Beispiel auch dafür geeignet sein muß, Gefühle darzustellen. Man kann mit einer wissenschaftlichen Sprache keine Gefühle beschreiben, jedenfalls wüßte ich nicht, daß das je jemand gelungen wäre. Wissenschaftliche Sprache analysiert und beschreibt das Ergebnis von Analysen, das ist für die Beschreibung von Gefühlen denkbar ungeeignet.

Gefühle sind immer ein Ausdruck von etwas, das man nicht analysieren kann und auch nicht analysieren will. Wir wollen sie einfach nur genießen (wenn es positive Gefühle sind), oder wir leiden darunter (wenn es negative Gefühle sind).

Es ist Aufgabe der Sprache in einem Liebesroman, darum geht es hier ja eigentlich, diese Gefühle so zu beschreiben, daß sie für die Leserin nachvollziehbar sind, am besten sollte die Leserin dasselbe empfinden, was im Text beschrieben wird. Dann ist die Beschreibung gelungen.

Da die Sprache also direkt zur Gefühlswelt vordringen soll, muß sie vergleichsweise einfach sein. Fremdwörter sollte man tunlichst vermeiden, auch Wörter, über die man erst einmal lange nachdenken muß, bevor man sie versteht. Auch Fachbegriffe, zum Beispiel aus dem jurististischen Umfeld, sind nicht günstig.

Wenn ich eine Anwältin als Hauptperson oder als eine der Figuren habe, kann sie natürlich durchaus einmal etwas Juristisches sagen, damit klar ist, daß sie kompetent ist, daß sie etwas von ihrem Beruf versteht (oder auch das Gegenteil, falls ich darstellen möchte, daß sie eben gerade nichts davon versteht).

Das, was sie sagt, muß die Leserin dann auch gar nicht verstehen, es ist einfach wie ein Bild, das man anschaut und auf dem man sieht, da steht jemand in einer schwarzen Robe und macht einen kompetenten Eindruck. Mehr nicht.

Gefühle an sich jedoch sollten in einer einfachen Sprache daherkommen, die jede Leserin verstehen kann. Mit der sie sich und ihre eigenen Gefühle identifizieren kann, sprich, das, was sie liest, sollte ihr bekannt vorkommen, sollte den direkten Weg zu ihrem Herzen finden – am besten unter Ausschließung des Gehirns, denn Gefühle haben mit Denken nichts zu tun.

Wenn ich schreibe: »Ich liebe dich«, weiß ich, daß das jede Leserin versteht, jeder Mensch auf der Welt vermutlich.

Schreibe ich aber: »Ich befinde mich gerade in einem emotionalen Status, der meine profund positive Affektion für dich ausdrückt«, sollte mich sehr wundern, wenn das irgend jemand sofort einleuchtet.

Ja, ganz richtig, das ist einfach nur Schwachsinn. So etwas gehört nicht in einen Liebesroman.

Zu Anfang hatte ich durchaus Schwierigkeiten damit, denn ich hatte ein kleines »Fremdwörterproblem«. Wie viele Leute, die lange Jahre an der Uni zugebracht haben, war ich es gewohnt, viele, viele Fremdwörter zu verwenden . . . Unmassen von Fremdwörtern. Wenn man an der Uni ernstgenommen oder überhaupt wahrgenommen werden will, bildet man Sätze am besten nur aus Fremdwörtern, sonst hört einem niemand zu.

Wie gesagt, am Anfang mußte ich deshalb darauf achten, daß meine Sprache nicht zu sehr in diese lange Jahre eingeübte Attitüde (zu deutsch: Haltung ) verfällt.


Mittlerweile ist das eigentlich nicht mehr so. Durch die vielen, vielen Romane, die ich geschrieben habe, habe ich mich daran gewöhnt, die Sprache zu verwenden, die ich meinen Leserinnen gern anbieten möchte: eine einfache, aber gefühlvolle Sprache.

Natürlich muß die Erzählsprache auch der Erzählperspektive entsprechen. Es ist zum Beispiel ein Unterschied, ob ich einen Text in der ersten oder in der dritten Person verfasse.

Die 1. Person, die Ich-Perspektive, ist immer direkter. Da spricht eine Figur, die (scheinbar, nicht in Wirklichkeit, denn die Geschichte sollte die Autorin erfunden haben) ihr eigenes Leben erzählt, das kann sehr privat und sehr intim werden und vor allem sehr subjektiv.

Deshalb paßt sich die Erzählsprache dann der Erzählperspektive an. Ist die Hauptfigur Ich eher wortkarg, muß auch die Sprache, in der sie erzählt, wortkarg sein. Ist sie eine Plaudertasche, sollte auch alles andere, was erzählt wird, diesem »plauderigen« Stil folgen.

Das Problem an der Ich-Perspektive ist, daß sie nur eine sehr beschränkte Wahrnehmung anbietet, sprich, was die Hauptfigur nicht sieht, kann sie auch nicht erzählen. Oder jemand anders muß es ihr erzählen, was manchmal sehr mühsam umzusetzen ist.

Man kann ja nicht einfach eine Figur hereinstiefeln lassen, die sagt: »Du, ich erzähle dir jetzt mal, was du nicht miterlebt hast, damit du das dann deinen Leserinnen weitererzählen kannst«.

Nein, so geht es nicht. Man muß das alles sehr indirekt gestalten, unmerkbar. Und das ist nicht gerade einfach.

Wenn man also mehrere Figuren hat, die für die Geschichte wichtig sind und aus deren Perspektive Geschehnisse geschildert werden sollen, sollte man zur dritten Person als Erzählperspektive greifen, also die Sie-Perspektive.

Sie tat dies, sie sagte das – im Gegensatz zu Ich sagte dies, ich tat das.

Meist ist das einfacher, als wenn die Ich-Person dann immer alles erzählt bekommen muß.

Es kann aber auch schwieriger sein, weil ich die Figuren, aus deren Perspektive ich erzählen will, viel besser im Auge behalten muß.

Bei der Ich-Perspektive muß ich immer nur wissen, was diese eine Person gerade tut, bei der Sie-Perspektive muß ich wissen, was alle Personen gerade tun und welchen Einfluß das auf die anderen Personen hat.

Meist sagt mir ein Text, in welcher Person, aus welcher Perspektive er geschrieben werden will.

Manche Texte lassen sich einfach nur in der Ich-Perspektive überzeugend schreiben, bei anderen muß es die 3. Person sein. Manchmal muß man allerdings auch ausprobieren, was besser ist.

Ich schreibe dann eine Szene in der 1. Person oder der 3. Person und schreibe sie im zweiten Schritt in die andere Erzählperspektive um.

Dabei merke ich sehr schnell, auf welche Art der Text besser fließt, sich besser »anfühlt«.

Ja, es ist mehr ein Gefühl als eine logische Entscheidung. Das ist beim Schreiben oft so.

Wie ich schon an anderer Stelle sagte: Es ist ein ständiger Prozeß. Schreiben ist keine Aufgabe, die man nach Schema F erledigen kann.

Es gibt schon einige Regeln, die man beachten sollte (einwandfreie Rechtschreibung und Grammatik, keine langweiligen Details, Dialog, Konflikt usw.), aber die Umsetzung variiert von Text zu Text doch sehr.